Pro­jekt­ver­ant­wort­li­cher: Dr. Razak Khan
Lei­tung: Prof. Dr. Ravi Ahu­ja
Pro­jekt­sta­tus: abgeschlossen 

Mein For­schungs­pro­jekt ana­ly­siert die inein­an­der ver­floch­te­nen Bezie­hun­gen deutsch-indi­scher Geis­tes­ge­schich­te anhand kul­tu­rel­ler Über­set­zun­gen im Bereich der Reform­päd­ago­gik, bzw. „New Edu­ca­ti­on“ um 1900 und ihre Aus­wir­kun­gen im kolo­nia­len und post-kolo­nia­len Indi­en. Dazu unter­su­che ich Netz­wer­ke zwi­schen indi­schen und deut­schen Bil­dungs­re­for­mern und Intel­lek­tu­el­len in Deutsch­land, ins­be­son­de­re in Berlin.

Per­sön­lich­kei­ten wie Sayy­id Abid Husain (1896–1978) und Edu­ard Spran­ger (1882–1963), sowie ihre Schü­ler, Zeit­ge­nos­sen und ande­re Akteu­re hin­ter­lie­ßen Archiv­zeug­nis­se, die sich zeit­lich über ein Jahr­hun­dert und räum­lich über Kon­ti­nen­te hin­weg erstre­cken. Für eine ver­glei­chen­de Stu­die deut­scher Kon­zep­te und ihrer indi­schen Über­tra­gung ins Urdu bie­ten sich ins­be­son­de­re die bis­her unbe­ach­tet geblie­be­nen Über­set­zun­gen von Abid Husain an. Spran­gers psy­cho­lo­gi­sche Theo­rien in Ver­bin­dung mit Ethik und Wert­vor­stel­lun­gen spie­geln sich auf krea­ti­ve Wei­se in Husains eige­nen phi­lo­so­phi­schen Schrif­ten zu Bil­dung und päd­ago­gi­scher Pra­xis wie­der und wur­den sin der Fol­ge nicht nur an der Jamia Milia Isla­mia Uni­ver­si­tät in die Pra­xis umge­setzt, son­dern hiel­ten auch Ein­zug in Husains Heim in Delhi.

Anhand der geplan­ten Ein­bet­tung der Fami­li­en­ge­schich­te von Abid Usain in umfas­sen­de­re Fra­ge­stel­lun­gen zu Citi­zen­ship und der Iden­ti­tät reli­giö­ser Min­der­hei­ten lässt sich auf­zei­gen, wie der­ar­ti­ge Fra­gen auch das Den­ken der Bil­dungs­re­for­mer präg­ten. Mus­li­me aus der indi­schen Mit­tel­schicht, ins­be­son­de­re an der Jamia Milia Isla­mia, betei­lig­ten sich aktiv an natio­nal­kul­tu­rel­len Debat­ten zu Bil­dung und Citi­zen­ship im kolo­nia­len und post­ko­lo­nia­len Indi­en. Ich unter­su­che, wie dadurch Kon­zep­te neu ver­han­delt wur­den, die eine pro­mi­nen­te Stel­lung im deut­schen Dis­kurs zur Rol­le und zu den Rech­ten jüdi­scher Eli­ten in Deutsch­land ein­ge­nom­men hat­ten. Als wich­ti­ge Fak­to­ren für eine ver­glei­chen­de Geschich­te von Citi­zen­ship und Min­der­hei­ten-Iden­ti­tä­ten wer­den auch Kate­go­rien wie Klas­se und Geschlecht (gen­der) berück­sich­tigt. In die­sem Pro­jekt geht es jedoch nicht um die Unter­su­chung „deri­va­ti­ver Dis­kur­se“ und deren ver­meint­li­chen Export vom Zen­trum in die Kolo­nien. Statt­des­sen ana­ly­sie­re ich trans­na­tio­na­le Geis­tes­ge­schich­te im Hin­blick auf begriff­li­che und kon­zep­tio­nel­le Ände­run­gen, die im Pro­zess der Über­set­zung und Inter­pre­ta­ti­on ent­ste­hen und Ideen in deut­schen Tex­ten zu einem Palim­psest beim Schrei­ben in Urdu wer­den las­sen. Das Pro­jekt dient somit einer kri­ti­schen, sozi­al­ge­schicht­li­chen Erfor­schung der Poli­tik des Über­set­zens von Begriffs-Kon­zep­ten und intel­lek­tu­el­lem Gedankengut.